Was dem Wanderer seine Wanderschuhe sind, ist dem Radler seine Hose – das zentrale Bekleidungsstück für unterwegs. Bei den Radhosen wird dabei manchmal etwas dick aufgetragen. Polster hin oder her.
Ausrüstungsexperte Ralf Stefan Beppler erklärt worauf es ankommt.
Ist dicker besser?
Es gibt immer wieder die Annahme, dass mehr Polster, mehr Dämpfung gleichbedeutend mit besser sei. Weit gefehlt. Das ist wie in einem englischen Pub. Die „Regulars“ (Stammgäste) sitzen auf den harten Holzbarhockern am Tresen und nicht auf den weichen Sofas am Kamin. Sie haben einfach schon Sitzfleisch. Ein bisschen kommt es aber auch auf den Einsatzzweck und die Distanz an – und das eigene Wohlbefinden. Vorsicht dabei: Dicke Polster haben einen „Windeleffekt“ beim Gehen. Radhosen sollte man auf alle Fälle anprobieren, um das richtige Gefühl dafür zu bekommen.
Das Sitzpolster
Das Herzstück des Radlers sitzt in der Hose: das Sitzpolster. Den optimalen Sitzkomfort erhält das Polster durch unterschiedliche Polsterhöhen im hinteren Teil, die den Druck aufnehmen. Ein Mittelkanal sorgt zusätzlich für Druckentlastung und fördert die Durchblutung auf dem Sattel. Allerdings ist ein anatomisch geformter Sattel die Voraussetzung, um Taubheitsgefühle zu vermeiden.
Erhöhte Zonen sorgen dabei für einen weichen und komfortablen Sitz, die unteren Zonen absorbieren harte Stöße. Technisch geht es bei den Polstern um einiges. Hochwertige Sitzpolster vereinen daher eine ganze Reihe von Attributen. Sie sind bielastisch, nahtfrei, mehrlagig, gelasert und anti-mikrobiell. Je mehr davon ein Radhosenpolster aufweist, desto (meist) teurer wird die Radhose. Die Technologien zielen alle darauf ab, dass sich das Polster mit der Radhose mit dehnt, es keine Reibepunkte und möglichst viel Komfort gibt.
Neuer Trend: Auch im Kommen ist die Technologie, die Sitzpolster nicht mehr auf den Hosenstoff aufzunähen, sondern in eine Aussparung nachträglich einzusetzen. So kann auf eine zusätzliche Stoffschicht verzichtet werden, der Kontakt zum Sattel wird verbessert und Reibungspunkte werden eliminiert.
Häufig wird suggeriert, die Dicke des Polsters sei zentral. Entscheidender ist jedoch die Dichte des Schaums. Stauchdichten der Schäume werden in Kg/m³ definiert. Die Werte liegen zwischen 40 Kg/m³ und 120 Kg/ m³ und werden damit als „High Density“, „Very High Density“ oder „Ultra High Density“ bezeichnet. Über diese Stauchdichten definieren die Hersteller ihre Einsatzempfehlungen. Eine hochwertigere Radhose erkennt man also auch daran, dass es Infos zur Stauchdichte gibt. Die Schäume selber variieren meist zwischen 8 und 15 mm Dicke. Dazu kommt die Positionierung der verschiedenen Dicken – und daraus macht jede Firma ihre eigene Philosophie.
Die Sitzposition
Schaumdicken und Schaumdichten der Hosen allein sind für den Komfort beim Radfahren aber nicht entscheidend, denn gutes Sitzen auf dem Rad hängt noch von weiteren Aspekten ab: dem Sattel, der Sitzposition und der Rahmengeometrie. Die Firmen unterscheiden deshalb zwischen den Einsatzbereichen ihrer Hosenkonzepte aufgrund der Sitzposition von aufrechter, gemütlicher Sitzposition bis zu einer sehr gebeugten, sportiven Sitzposition.
Radhosen sind High-End-Produkte. Wer will, kann sich sogar eine Radhose individuell schneidern lassen. In Freiburg gibt es einen Radhosenkonfektionär, der Maßanfertigungen macht, um „der idealen Passform möglichst nahe zu kommen“. Für alle anderen heißt es ausprobieren und im Vorhinein schauen, was überhaupt gewollt bzw. benötigt wird:
Radtight: Die ursprüngliche Radhose aus dem Rennradbereich. Heute ist es die „Standard“ Radhose und kann natürlich als Allrounder getragen werden. Meist ist sie – für die bessere Passform – aus mehreren Bahnen zusammengesetzt. Der hohe Anteil einer elastischen Faser sorgt für eine enge Passform, die aber im Freizeitbereich mitunter als unangenehm empfunden wird. Optisch nicht das modischste Stück.
Rad Bib: Eine „Bib“ ist eine Trägerhose. Die Vorteile dieser „Weiterentwicklung“ der Tight: Sie verrutscht nicht. Typischer Anfängerfehler bei der Bib: Das Trikot darf nicht drüber gezogen werden. Sonst gibt es Probleme, wenn man mal kurz austreten muss.
Radshorts sind einerseits der Versuch, dem Gros der Freizeit- und Genusstourenradler die Radhose schmackhaft zu machen, andererseits sind sie natürlich cooler und passender zu Mountainbikes. Manche Shorts haben ein herausnehmbares Sitzpolster. Es soll die Vielseitigkeit der Shorts erhöhen. Dafür kann es manchmal zu „Verwicklungen“ beim Anziehen kommen, was die Gefahr einer Faltenbildung und damit Reibestellen erhöht. Für Radtourer gibt es auch lange Hosen mit herausnehmbarem Sitzpolster.
Wer im Alltag als Radpendler den Komfort einer Radhose mit Sitzpolster genießen, aber nicht als „Radler“ auffallen oder sich auf der Arbeit immer umziehen will, kann zur Radjeans greifen. Das sind normale Denims aus elastischem Stoff mit integriertem Sitzpolster.
Unterhose mit Polster: Es gibt auch die Möglichkeit, Rad- Funktionsunterhosen zu kaufen. Damit sie nicht so dick auftragen, sind die Polster hier eher rudimentär und dünn. Dafür kann man sie mit der Lieblingshose kombinieren. Meist sind sie für Gelegenheitsradler oder Kurztourer gedacht, und dafür sicher ausreichend. Wer längere Touren macht, wird aber den Komfort einer speziell fürs Radfahren entwickelten Hose mit hochwertigem Sitzpolster schnell schätzen lernen.
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